Tag 10 auf dem Østerdalsleden - wenn alles anders kommt als geplant
- strickerlara9
- vor 6 Tagen
- 2 Min. Lesezeit
Heute lief einfach nichts wie geplant. Eigentlich wollten wir gemütliche 12 km bis nach Havdal wandern, wo schon eine feste Unterkunft auf uns wartete. Doch der Østerdalsleden hatte andere Pläne mit uns – und das Wetter ebenfalls.
Es war heiß. 25 Grad in der prallen Sonne, was für norwegische Verhältnisse (und für uns Flachlandbewohner) schon fast tropisch wirkt. Gleich zu Beginn wartete ein echter Kraftakt: Über 410 Höhenmeter auf gerade mal 5 Kilometern – steil, schweißtreibend und kräftezehrend. Und als ob das nicht genug wäre, war der Weg über weite Strecken matschig und sumpfig. Unsere Schuhe versanken immer wieder im feuchten Untergrund, und jeder Schritt fühlte sich ein bisschen schwerer an.
Kleine Pfoten, große Leistung
Auch Yawa merkte man die Anstrengung an. Sie war schnell völlig verdreckt, ihre Beine und ihr Bauch vom Matsch gezeichnet. Immer wieder blieb sie stehen, schaute mich mit diesem typischen „Ich brauch 'ne Pause“-Blick an – und natürlich bekam sie sie auch. Wir suchten gemeinsam schattige Plätzchen, teilten Wasser und verschnauften ein paar Minuten.
Aber typisch Yawa: Kaum war der Akku wieder halb voll, legte sie plötzlich einen Zahn zu und flitzte mir auf den schmalen, wurzeligen Pfaden davon. Ich kam stellenweise kaum hinterher – und hörte nur das Rascheln ihrer Schritte im Unterholz vor mir.
Ein besonderer Ort mit weiter Sicht
Nach mehr als 7,5 Stunden – Pausen inklusive – hatten wir gerade einmal die Hälfte der geplanten Strecke geschafft. Wir erreichten Øyvindtjønna – ein kleiner, geschichtsträchtiger See mit Blick auf Trondheim und die Nidarosdomkirche in der Ferne. Für Pilger im Mittelalter muss es ein ergreifender Moment gewesen sein, nach all den Strapazen plötzlich ihr Ziel in Sichtweite zu haben.
Und auch uns überkam ein stilles Staunen. Der Blick über das weite Land bis hinunter zur Stadt war nicht nur schön – er war tief berührend. All die Anstrengung, der Schlamm, die Hitze – in diesem Moment war es einfach nur still und besonders.
Øyvindtjønna – Geschichte am Wegesrand
Der Ort selbst war weit mehr als nur ein Rastplatz. Øyvindtjønna war nicht nur ein Etappenziel, sondern auch eine eigene Pilgerstätte: eine heilige Quelle, die besonders um Mittsommer und am 4. Oktober – dem Gedenktag des heiligen Edwin – viele Besucher anzog.
Im Mittelalter stand hier sogar eine Kapelle, die laut Funden bis ins 13. Jahrhundert zurückreichte. Noch 1775 berichtete der Historiker Gerhard Schøning von zurückgelassenen Krücken und Stöcken – Zeichen von Hoffnung, Heilung und Glauben. Die Kapelle wurde im 17. Jahrhundert abgetragen, und ihre Überreste später als Brennholz verwendet, als schwedische Truppen 1718 durch das Tal zogen.
Plan B mit Hüttenromantik
Heute steht dort nur noch die Natur – und eine einfache, aber rettende Blockhütte: das Sælehus. Kein Strom, kein Wasser – aber zwei Bänke, ein Dach über dem Kopf und ein Plumsklo. Für uns an diesem Tag: purer Luxus.
Wir entschieden spontan, dass wir hierbleiben würden. Den Rest des Weges nach Havdal würden wir morgen in Angriff nehmen. Tiril, unsere Gastgeberin dort, reagierte zum Glück ganz entspannt auf unsere Planänderung – wir dürfen morgen trotzdem bei ihr übernachten.
Schlaf inmitten von Stille und Regen
Während draußen der Regen auf das Hüttendach trommelte, fielen wir drinnen völlig erschöpft in den Schlaf – Yawa zusammengerollt auf ihrem Schlafsack, immer noch ein bisschen erdig, aber endlich zufrieden.
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